Die Ampel steht auf Rot!
… und damit ist nicht die SPD gemeint….. Seit einem Jahr regiert die selbsternannte Fortschrittskoalition. Aber der Fortschritt ist auf der Strecke geblieben. Über eine Regierungskonstellation, die viel in die Hand nimmt; – und wenig liefert.
Seit einem Jahr ist die Ampel an der Regierung. Und man könnte sagen, na ja es sind auch schwierige Zeiten, also bitte sanft mit ihnen umgehen. Aber entgegen des weitläufigen Eindrucks muss Regieren nicht Spaß machen, sondern sie muss liefern. Das tut sie nicht, sondern läuft von Rettungspaket zu Rettungspaket, von Sondervermögen zu Sondervermögen, sie zieht mithin immer mehr Aufmerksamkeit und Verantwortung auf sich. Kauft Zeit, allerdings nur fürs „Weiter so.“ Und viele Menschen spüren das, nur die Regierung spürt das nicht.
So viele SchauspielerInnen. Aber keine Idee erkennbar
Eine Instant-Beschreibung des Status Quo: Die Medienstars sind Robert Habeck, der unermüdliche Erklärer und Energie- und Klimaretter und Annalena Baerbock. Beide achten auf Sichtbarkeit, beide in unterschiedlichen Rollen, Habecks Erfolge und Misserfolge sind in Echtzeit zu sehen, während Annalena Baerbock als „Trägerin westlicher Werte“ durch die Welt reist. Gute Bilder, klare Worte, inwieweit diesen Worten Taten folgen können, kann man erst in einigen Jahren sehen. Außenpolitik fußt auf Vertrauen im Vier Augen Gespräch.
Dann haben wir die Jungs von der FDP, Lindner voran, der einem immer mehr wie ein mißgünstiger, trotziger Schuljunge erscheint, der den Musterschülern in den Umfragen den Erfolg nicht gönnt. Einen Justizminister, den man nicht wahrnimmt. Und einen Digitalisierungsminister, das zur Erinnerung, der jetzt zum Bahnchef promoviert wurde. Die Drei ergeben kein richtiges Bild, daneben noch der alte Wilde aus dem Norden, Kubicki, der könnte diese Rolle auch in der Opposition so spielen. Und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Außenpolitikerin der klaren Worte. Fünf isolierte Einzelakteure, aber kein Gruppenbild.
Die SPD scheint doch eine ganz neue SPD. Sie ist ruhig. Kein öffentlich ausgetragener Streit, seit Kevin Kühnert über die bekannte Juso Tour seinen Posten erobert hat. Gesundheitsminister Lauterbach, im Hauptberuf noch immer Talkshowbesucher und Twitterer, nebenher Rettungsmillionen-Aufrufer, gerettet wird auch hier auf „Teufel komm raus“, mit Hinweisen zur Strukturreform tut man sich immer noch schwer. Die Innenministerin bleibt blass, die Verteidigungsministerin findet erst langsam in ihre Rolle. Und Heil, der Arbeitsminister, ist so eine Art „Künstliche Intelligenz“ eines Arbeitsminister. Fleißig, ohne Fehler, liefert im Sinne der SPD. Bleibt noch der Kanzler. Der hat seine Ausbildung bei Merkel absolviert und dabei eines gelernt: Mit Medienpräsenz kann man nur wenig (außer die Paternosterfahrten) gewinnen, aber sehr viel verlieren. Wie Merkel lässt er die Medien nach dem angemessenen Bild von sich selbst suchen. Noch haben sie es nicht gefunden. Aber der Blick auf die persönlichen Beliebtheitswerte lässt ihn ruhig schlafen.
Vertrauen zählt. Aber darauf will niemand einzahlen.
Warum ergibt diese Betrachtung der Einzelbestandteile dann kein Gesamtbild?
Stichwort Eins: Die Konzentration aufs Hier und Jetzt, auf einmal erfolgreiche Konzepte. Der Wumms, der Doppelwumms, das Sondervermögen, die finanzielle Selbstermächtigung des Staates mag als Sofortmaßnahme genügen, als „Fortschrittsperspektive“ taugen sie nicht.
Stichwort Zwei: Die Koalitionäre inszenieren Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“. Und die Medien, ganz Familie und Freundeskreis, machen mit. Wer schenkt wem eine ein, wer gewinnt in der Koalition gegen wen, Beispiel Benzinvergünstigung versus 9 Euro Ticket, Tauschhandel wie auf dem Bazar. Die China Politik ist ein weiteres Beispiel. Mühsamer Kompromiss beim Hamburger Hafen und jetzt eine Außenministerin, die ihrem Kanzler noch ein paar kritische Worte auf dem Flug nach Peking mit auf dem Weg gibt. Geht’s noch? Opposition braucht es keine mehr, das erledigt die Regierung gleich mit.
Auf einen Punkt gebracht: Die Regierung hat beim Start versucht, die Fortschrittskoalition als Modell neuen Denken und Handelns zu verkaufen. Das ist krachend gescheitert. Jeder der Partner, Habeck würde ich da ausnehmen, hat nur auf sein eigenes Narrativ geachtet, eine resiliente, nachhaltige und belastbare Strategie war da nie unterfüttert. Die Grünen blieben bei überbordenden Prinzipien und einem überhöhten Selbstbild, die FDP erinnert an Ciceros „Ceterum censeo“, den Nachsatz, die Schuldenbremse muss bleiben, um dann die Mogelpackungen Sondervermögen vollzupacken, der Kanzler vertraut darauf, dass seine Bandenmitglieder irgendwann erschöpft aufgeben und er als Phönix aus der Asche neu entsteht.
Fortschritt geht anders
Was wäre denn dann die Lösung? Wir sind gesellschaftlich an einen Punkt gekommen, an dem wir die Resultate der Nachkriegs-Grundaufstellung hinterfragen müssten. Starke Parteien sollten nach 45 den zentralen öffentlichen Diskurs organisieren, nach 68 hat, angestoßen durch die Selbstbefreiung der SPD vom sozialistischen Erbe und zum Ende gebracht durch den Aufstieg der jungen, anfangsrebellischen Grünen, den Siegeszug des Politischen, besser des Parteipolitischen über die Gesellschaft seinen Lauf genommen. Die junge Generation von Politikerinnen und Politiker, die jetzt im Bundestag zu bewundern ist, hat sich oftmals nirgends anders bewähren müssen als im innerparteilichen Streit, der Eroberung einer Mitarbeiterstelle, eines Mandats, also von Taktiken, in einem kulturell engen Raum seinen eigenen Vorteil zu sichern. Risiken: Keine.
Führung, auf die die Gesellschaft vertrauen könnte
Es wäre an der Zeit, dass sich die führenden Akteure der Regierung mal vertraulich zusammensetzen und darüber reflektieren, was die Stärken einer freiheitlichen, marktwirtschaftlichen Gesellschaft sind, welche Rolle Politik in einem komplexen Umfeld tatsächlich übernehmen und welchen Beitrag Politik für eine leistungsfähigere, resiliente oder gar „antifragile“ (Nassim Taleb) Gesellschaft leisten kann. Die erste Konsequenz lässt sich bereits jetzt absehen: Die verantwortlichen Akteure der Regierung müssten sich, und zwar alle, von ihren parteilichen Sprechgesängen verabschieden. Die meisten Herausforderungen sind ja nicht strittig: Dass wir die Klimafrage engagiert (und unter Wahrnehmung der Wirtschaftsinteressen Deutschlands und Europas) angehen müssen, dass das persönliche Wohlergehen ein wesentlicher Pfeiler der Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger ist (Erst kommt das Fressen, dann …. ). Und dass auf der Weltbühne derzeit in der Ukraine geklärt wird, ob im 21. Jahrhundert das Selbstbestimmungsrecht von Bürgerinnen und Bürgern oder ein imperialistisches Verhalten aus dem 19. oder angehenden 20. Jahrhunderts die „Weltläufte“ bestimmen können.
Perspektivisch könnte die Politik am ehesten einen Beitrag für ein klimaverantwortliches und resilientes Deutschland leisten, wenn sie sich auch mal mit den eigenen Schwächen beschäftigten würde. Dass viel Politik oftmals nicht viel Impact hat, dass der öffentliche Sektor insgesamt schwach, nicht verantwortungsfähig aufgestellt ist, dass Partizipation, Mitbestimmung, Multistakeholder-Prozesse, deliberative Politik oftmals aufwändig ist, die Konflikte aber lange umspielt, umschreibt, mit Geld und Beschwichtigungen zuschüttet, aber nicht löst. Nüchtern über Effizienz und Effektivität politischer Handlungen zu sprechen und daraus abgeleitet, neue Wege zu beschreiten, das könnte eine produktive Rolle der FDP sein und damit den „Hauptwiderspruch“ dieser Koalition konstruktiv auflösen.
Das wäre Führung, auf die die Gesellschaft vertrauen könnte.